Montag, 2. Oktober 2006
stilbrechen in altona
ein beitrag von herrn medienjunkie, der relativ neuhamburger, dem ich bei jeder gelegenheit ungefragt wahnsinnig dufte hamburg-tips gab, informierte mich über die eröffnung eines neuen ramschladens in hamburg-altona, der sich "stilbruch" nennt. die resthöfe der stadtreinigung hamburg sammeln jede menge noch brauchbarer dinge. diese möbel, geschirr, spielzeug etc. werden in den stilbruch-läden verhökert. in irgendeinem fernen hamburg, welches ich genau einmal anfuhr, befindet sich der erste "stilbruch"-laden. ich war dort vor 2 jahren mal gucken und habe den mock immer noch in der nase. aber man will ja chancen geben, nicht voller vorurteile sein, fair sein, auch mal was probieren und versuch macht kluch etc.
heute also ruhrstraße. was war denn da los?
der unkleine laden scheint tatsächlich noch neu zu sein, kein grenzwertiges geruchsaufkommen. dafür augenkrebs. gleich am eingang rechts, die "fitness"-abteilung. mehrere altersschwache bauchtrainer, deren pvc-belag auf der bank deutliche mißbrauchsspuren aufwiesen. ein einsamer stepper, tapfer hält er sich auf seinen zwei beinchen. was er wohl schon alles sehen musste. ich sehe jedenfalls den ex-besitzer auf ihm einen angina pectoris anfall nicht überleben. weg hier.
gleich daneben faszinieren mich 3 kinderkreidetafeln. fleißige kleine monsterhände haben statt kreide edding und nägel benutzt. üben für die große s-bahn-kunst karriere?
gegenüber eine stattliche sammlung von couchtischen aus der segeberger gründerzeit. pressholz mit eichefurnier, an den klebekanten oft mit diversen ich hoffe "ersatzflüssigkeiten" in berührung gekommen und darüber etwas aufgeschwemmt. ach gott, bißchen poliboy drauf und das wird wieder wie neu!
ahhhh, da haben sich die antiquitätenexperten vom resthof was gedacht: ein zugegeben okayes patiniertes küchenbuffett mit aufsatz in kiefer. gelaugt durch jahre küchendunst ohne abzugshaube. hier klebt kein preis, wie auf den anderen sachen, hier hängt ein schild, welches das klobige möbel mit lächerlichen 1200 euro ausweist. fast geschenkt mann!
ich wollte ja nur gucken. guck ich weiter. an den fiesen tischen, separierten bücherregalen und geschirr vorbei finde ich mich in der bettenszene (90x2,00m) mit lattenrost wieder. ich muss fast kotzen. auf einem lattenrost, vollkommen unmotiviert, steht ein klo. ein seniorenkloaufsatz mit brille, deckel und hilfsstützen seitlich. ein monsterteil. igitt. ich will das geriatrische tool nicht gesehen haben. weg weg weg. bücher.
bücher sind meistens gut. gucken. klo bittebitte vergessen. bei jedem buch, welches ich anfasse kriege ich mehr das gefühl mich gerade zu verseuchen. in büchern sollen doch tiere wohnen. winzige käfer. käfer kommen aus maden. buchmaden.
ist wahrscheinlich unsinn aber kann ich es ausschließen? nicht in diesem moment. weg.
leider kann ich aus schwachsinnigen versäumnisängsten nicht gehen, bevor ich nicht alles gesehen habe. ich brauche den überblick, der nicht in meiner wiege lag. ich kontrolliere also noch den letzten raum: sofagarnituren, so übel das man kaum worte hat. ecksofascheisse, die es nicht mal verdient hat hergestellt zu werden in aller herren länder muster und farben. miefender bürgerdreck en masse. ich werd blind, noch kurz bevor der gemeine teerstuhl sich anmeldet. raus hier. am ausgang sehe ich dann das bild. ein ganz billiger druck mit madame butterfly-motiv in einem güldenen rahmen. für 12 schleifen meins! jetzt hängt es komplett durchgeseift und geföhnt in meiner küche und bislang zum glück hatte ich keine visionen, wo das vorher verstaubte.
ich mag flohmärkte, da sehe ich den vorbesitzer und kaufen tu ich eh nur bei fremden, die okay wirken. niemals suche ich antiquitätenstände oder antiquarische büchertische auf. und das hat gründe, die sich die hände gewaschen haben! (mindestens 10 mal plus sagrotandusche)
p.s.: im weggehen sehe ich eine ca. 60jährige, die sich den kloaufsatz reinhubt. sie prüft gewissenhaft und ohne scheu das eklige scheisshaus auf seine anwendbar und brauchbarkeit. sie berührt den sitz, den deckel und die lehnen als hätte sie alles jetzt schon sehr sehr lieb. fast hätte ich doch noch stilgebrochen.